Die Marienkirche in Heidenheim

Die alte Marienkirche

Nachdem genügend Geld vorhanden war, erhielt der Stuttgarter Architekt Josef Morlok den Auftrag, einen Bauplan für die katholische Kirche Heidenheim zu erstellen (der Kostenvoranschlag belief sich auf 70.800 Mark).

Nach Abschluss der umfangreichen Vorarbeiten konnte endlich am 2.10.1882 unter großer Anteilnahme der gesamten Bevölkerung in feierlicher Form der Grundstein gelegt werden.

In einem langen Zug zogen vom damaligen Rathaus Geistliche, Mitglieder des Gemeinderates, der katholische Kirchenstiftungsrat, Arbeiter mit ihrem Handwerkszeug und schließlich die katholische Gemeinde.

Geistlicher Zeremoniar war Dekan Kollmann aus Unterkochen. In seiner Ansprache bezog er sich auf einen alttestamentlichen Text, der als Inschrift am Eingang des Bauplatzes zu lesen war: "Jakob errichtete den Stein, auf dem sein Haupt geruht, als Grundstein."

In diesem Sinne wurde der Grundstein der Kirche gelegt, als ein Denkstein für spätere Geschlechter. Mit weithin hörbarer Stimme zitierte er einen Text aus Epheser 2,19: "Ihr seid aufgebaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten, dessen Eckstein Jesus Christus ist."

Danach wurde die Grundsteinlegungsurkunde in den linken Choreckpfeiler eingemauert. Beim Umbau 1932 wurde sie herausgenommen und durch eine neue ersetzt.

Das Gotteshaus ist in neuromanischem Stil und basilikaler Form als lange Halle mit niedrigen Seitenanbauten und Flachdecken erbaut worden. Enge Rundbogen, die auf je 4 Tragsäulen ruhten, trennten das Mittelschiff von den Seitenschiffen. Die Längsrichtung bildete eine Nord-Südachse mit der Apsis im Süden und der Orgelempore im Norden. Neuromanische Zierformen lockerten die Wände auf, dennoch war die künstlerische Ausstattung des Mittelschiffes überladen, unruhig und insgesamt schwach. Mit 350 Sitzplätzen hatten die Gemeindemitglieder reichlich Platz.

Nach vierzehnmonatiger Bauzeit benedizierte Dekan Kollmann am 21. November 1883 das neue Gotteshaus. Vier Jahre später nahm Weihbischof Wilhelm von Reiser die feierliche Konsekration in "Mariä Verkündigung" vor.

Heidenheim wird selbständige Pfarrei

Mit dem eigenen Gotteshaus hatte die Gemeinde ein wichtiges Ziel, nämlich die kanonische Errichtung der Pfarrei, erreicht. Bereits am 4. März 1886 konnte die relativ junge Gemeinde in Johann Georg Seifritz ihren ersten Stadtpfarrer begrüßen.

Inzwischen wurden der Mariengemeinde die Filialen Bolheim, Herbrechtingen, Itzelberg, Königsbronn, Mergelstetten, Ochsenberg, Oggenhausen, Schnaitheim, Steinheim und Zang zugeteilt.

Womit sie fast so groß war wie das erste Landkapitel Heidenheim im frühen Mittelalter. Die neuentstandene Stadtpfarrei wurde aber gleichzeitig dem Dekanat Hofen bei Aalen unterstellt.

Von nun an ging der weitere Ausbau der katholischen Gemeinde Heidenheim rasch voran. 1889 wurde an der Karlstraße ein eigenes Pfarrhaus gebaut, das 1904 gegen die Oberamtssparkasse (heute Kreissparkasse) in der Heinrich-Voelter-Straße eingetauscht werden konnte.

Das Gemeindeleben erhielt durch die Gründung zahlreicher Vereine neue Impulse. So entstanden nacheinander

  • der Arbeiterverein (1889),
  • der Gesellenverein - heute Kolping- (1904),
  • die Schwesternstation (1908),
  • der Elisabethenverein (1914).

Diesen folgten im Kriegsjahr 1916 der Lehrlingsverein, der Arbeiterinnenverein, der Jungmädchenverein, der Paramentenverein, der Borromäusverein, der Mütterverein und schließlich im Jahre 1919 ein Kirchenbauverein zur Errichtung einer zweiten katholischen Kirche in Heidenheim.

Im Jahre 1899 zog die 16 Jahre früher gegründete katholische Volksschule, die seit 1890 der Stadt bzw. dem Staat unterstellt war, in das inzwischen errichtete Olgaschulgebäude ein.

Als zweiter Stadtpfarrer wurde 1901 Dr. Alfons Ehrhardt investiert, der aber kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs Heidenheim verließ. In seine Amtszeit fällt die Errichtung der ersten Vikarsstelle, die 1906 mit Alfons Mark aus Riedlingen besetzt wurde.

Während der ersten beiden Kriegsjahre war Hauskaplan Johann Baptist Kehl aus Schwäbisch Gmünd Pfarrverweser. Im Kriegsjahr 1916 wurde dann als dritter Stadtpfarrer, Alfons Mark, investiert.

Auch an ihn erinnert an der rechten Seitenwand, unter der Empore, eine Erinnerungstafel.

In Riedlingshausen an der Donau geboren und daselbst nach wohlverdientem Ruhestand beerdigt, war Alfons Mark, wie kaum einer seiner Amtsbrüder zuvor, mit den Mitgliedern seiner Kirchengemeinde, den evangelischen Pfarrern und den übrigen Bewohnern Heidenheims, besonders eng verbunden.

Er war Seelsorger, Organisator, Kirchenbauer, Vereinsgründer - allein in den ersten drei Jahren seines Wirken gründete er sieben katholische Vereine - und, ausgelöst durch die Repressalien des Dritten Reiches, auch Widerstandskämpfer gegen Hitler.

Trotz zweier Weltkriege, die ihn vor schier unlösbare Aufgaben stellten, hat er die bisher längste Amtsdauer als Seelsorger der Marienkirche erreicht. Nicht weniger als 36 Jahre lang förderte er die Kirchengemeinde St. Maria und wurde auch von ihr unermüdlich gefordert. Aus dieser segensreichen Arbeit seien hier einige Merkmale aufgelistet:

  • Investitur während des Krieges, Initiator der ersten Fronleichnamsprozession in Heidenheim,
  • Förderer der Selbständigkeitsbestrebungen der Filialgemeinden Giengen (1923) und Herbrechtingen (1927),
  • Ablieferung und jeweilige Neubeschaffung der Kirchenglocken und Orgelpfeifen anläßlich beider Weltkriege,
  • Grundstückserwerb für eine zweite katholische Kirche in Heidenheim,
  • Verlust des Baukapitals durch die Inflation,
  • Umbau und Erweiterung der alten Marienkirche,
  • Anbau der Kriegsgedächtniskapelle,
  • Ertragen vieler Repressalien wegen der Weigerung des Treuegelöbnisses auf Hitler - auch die evangelischen Pfarrer verweigerten es,
  • Verhaftung und Aufenthalt im Konzentrationslager Dachau vom 7.1.1944-6.1.1945,
  • Eingliederung der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen in die Gemeinde,
  • Bau der Bonifatiuskirche in Schnaitheim und Vorbereitung des Baues der Mariä-Himmelfahrts-Kirche in Königsbronn.

In seiner Amtszeit stieg die Zahl der Anwohner und somit auch der Katholiken sprunghaft.

Jahr

Einwohner der Stadt

Zahl der Katholiken

1906

12.172

1.900

1916

13.354

2.300

1933

21.903

3.393

1939

27.178

4.998

1950

40.142

12.319

Umbau der Marienkirche 1932

 

Die Kirche Mariä Verkündung, kürzer gesagt Marienkirche, war für die inzwischen stark angewachsene Pfarrgemeinde zu klein geworden. Um der erkannten Raumnot abzuhelfen, sollte mit Hilfe des bereits erwähnten Kirchenbauvereines eine zweite katholische Kirche in Heidenheim gebaut werden.

Doch die ungünstige Entwicklung der Wirtschafts- und Arbeitslage bis 1932 zwang zum Umdenken. Dieser Denkprozess bestand darin, die fertigen Pläne des Stuttgarter Architekten Schlösser wegzulegen und einen Um- und Erweiterungsbau der bisherigen Kirche vorzunehmen.

Erneut wurde Hugo Schlosser mit der Planung beauftragt. Leitgedanke der neuen Konzeption war, vom bisherigen Baukörper viel beizubehalten, dennoch aber einen großen Kirchenraum zu schaffen, der mit 600 Sitz- und einer Anzahl Stehplätzen genug Raum bietet und somit die Gemeinde für Jahrzehnte von einem Kirchenneubau zu entlasten.

Der neue Teil der Kirche sollte mit dem alten eine organische Einheit bilden und mit seiner Größe ein beherrschendes Bauwerk am Rande der Bahnhofsanlagen darstellen.

In seinem Grundriß erfuhr das Gotteshaus eine beträchtliche Erweiterung. Der runde Turm wurde rechteckig ummauert und auf 32 Meter erhöht.

Durch eine glänzende statische Idee konnte der Glockenraum über die Höhe des Seitenschiffes herausgenommen und so das Langhaus nach Süden und Norden hin verlängert werden.

Die Apsis wurde größer, der Altar erhöht aufgestellt und so für die Teilnehmer am Gottesdienst gut sichtbar.

Die größte Veränderung erfuhr das Langhaus, dessen innere Länge sich von 16 auf 32 Meter ausdehnte. Die bis dahin empfundene Enge des Kirchenraumes wurde durch Herausnahme eines jeden zweiten Pfeilers beseitigt.

Die stehengebliebenen Pfeiler, auf denen stark armiert die Hochwand ruht, sind in ihrem Volumen verkleinert und die Seitenschiffe zu einem wesentlichen Teil des geräumigen Innenraumes integriert worden. Eine flache Holzdecke löste die alte Decke mit farbigem Gebälk ab.

Der Sakramentschor wurde erweitert (7,50 m breit und 8 m tief), rechts und links mit Nischen versehen (für das Chorgestühl) und mit einem einfachen Tonnengewölbe überdeckt.

Mit dem Gewölbe und der höheren Lage des Chores wurde der Altar auch optisch Mittelpunkt des Gotteshauses. Reichlich Licht erhielt er durch je vier hohe seitliche Fenster, von denen nur noch die Rundung an den neuromanischen Stil erinnerte. Sakristei und Paramentenhaus entstanden rechts und links vom Altar.

Der Hauptzugang zur Kirche wurde in seitlliche Anbauten verlegt, womit eine zusätzliche Betonung der basilikalen Form gelang.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Über eine offene Vorhalle betritt der Besucher den Windfang und gelangt so in das Innere. Hinten rechts ist die neuerrichtete Kriegergedächtniskapelle mit dem Taufbecken untergebracht. Darüber liegt der Raum für Chorproben, der bis zur Aufgabe der Pfarrbibliothek auch dem Leihverkehr diente.

Im Hintergrund der geräumigen und gut belichteten Empore stand die alte Orgel. Unter der Empore fanden die Beichtstühle ihren Platz, wo sie heute noch stehen.

Die Rückwand über dem Hochaltar nahm das große Fresko des Kunstmalers Albert Burkhart aus München auf. Dieser stellt die biblische Szene "Mariä Verkündigung" dar. Es wurde wegen des Kirchenpatronats an dieser bevorzugten Stelle angebracht. (Heute ist es unter einer schützenden Gipswand, gut präpariert, dem Blick des Kirchenbesuchers entzogen, durch diese Maßnahme aber der Nachwelt erhalten worden.) Der neue Altar enthielt in sechs Bildern Szenen aus dem Leben Mariens, die zusammen mit dem Fresko die sieben Freuden der Gottesmutter zeigten. Seit 1935 schmückt der heute noch vorhandene und von natürlicher, künstlerischer Komposition wirkende Kreuzweg Albert Burkharts den Innenraum der Marienkirche. Der älteste Kreuzweg wurde für 25.000 Mark nach Velbert ins Rheinland verkauft. Dazwischen hingen kleinere Kunstdruckbilder mit Kreuzwegmotiven in den Seitenschiffen. Ein besonders wertvolles Geschenk machten die Katholiken der Härtsfeldgemeinde Dischingen der armen Diasporagemeinde mit der spätgotischen Madonna aus dem 16. Jahrhundert. Sie steht jetzt noch vorne links neben dem Tabernakelstein als Hinweis auf das Patrozinium.

Nach dem Umbau wurden links und rechts vom Hauptaltar Seitenaltäre errichtet, die mit Burkharts Bildern geschmückt waren. Die drei Außenplastiken, die Immaculata über dem linken Eingang an der Marienstraße und die Apostelfürsten Petrus und Paulus an der Nordseite, stammen von Bildhauer Eisele, Stuttgart.

Für die kirchliche Jugend entstand unter dem Chorraum ein Versammlungsraum. Seit 1932 hat die Kirche eine Warmluftheizung, die 1971 modernisiert uns erweitert wurde und seither den ganzen Innenraum bis unter die Empore gut erwärmt.

Der Umbau kostete damals den stattlichen Betrag von 150.000 Mark. Da an baren Mitteln nur 61.000 vorhanden waren, gaben viele Pfarrangehörige verzinsliche Darlehen. Für die Innenausstattung kam eine stattliche Reihe von Stiftern mit namhaften Beträgen auf. Am 13. Dezember 1932 konnte die Gemeinde den ersten Gottesdienst in der großzügig erweiterten Kirche feiern, die fünf Tage darauf von Bischof Johannes Baptista Sproll benediziert wurde.

Während der Umbauarbeiten stellte der evangelische Kirchengemeinderat die ehrwührdige Michaelskirche am Schlossaufgang für katholische Gottesdienste zur Verfügung.

Ganz fertig konnte die erweiterte Marienkirche erst seit 1936 betrachtet werden, als eine sechste Glocke das wohlklingende Beuroner Geläut vervollständigte. Doch sechs Jahre später, im Februar 1942, holte der Staat wieder fünf Glocken vom Turm herunter. Sie sollten eingeschmolzen werden, doch ist über deren genaueren Verbleib nichts näheres bekannt.

Die Marienkirche heute

Das äußere Bild

Seit ihrem mehr als hundertjährigem Bestehen hat die Marienkirche verschiedene Bauperioden mitgemacht, die von ihrer neuromanischen Form bis auf die Rundbogenfenster nichts mehr übrigließen. Nur die Grundform ist im wesentlichen geblieben. Nach der Außenrenovation, die 1982 mit Spenden der Gemeindemitglieder und einem Zuschuß des bischöflichen Ordinariats durchgeführt werden konnte, präsentiert sich das Gotteshaus wie neu. In kräftigem Goldocker, mit neuem Dach, kupfernen Dachrinnen und Ablaufrohren sowie mit Blechdächern und -verwahrungen in Kupfer steht es als markantes sakrales Bauwerk an der Ecke Marien- und Voelterstraße.

Auf dem grünpatinierten Zwillingshelm des rechteckigen Turmes leuchtet weithin vergoldet das Doppelkreuz und der monogrammartig gestaltete Name Mariens, der Schutzpatronin. Neue Schalläden wurden im Glockenturm montiert. Wegen undichter Stellen und morscher Platten mußte das ganze Dach erneuert werden. Die durch Umwelteinflüsse verwitterten Steinplastiken des Bildhauers Eisele an der Außenseite wurden sorgfältig präpariert und gegen weiteren Zerfall mit einem hellen Anstrich geschützt. Die Madonna "Immaculata", am östlichen Eingang zu sehen, versinnbildlicht mit ihrer modernen, abstrakt wirkenden Form die unendliche Gnade, die der Jungfrau Maria zuteil wurde.

Gut gegliedert und weitgehend ungeschmälert durch den Nachbarbau (ehem. "Horten" bzw. "Rupprecht") beeindruckt die Nordseite. Vorab mit dem überdimensionalen, mit Kupferblech überzogenen Kreuz in der Mitte, flankiert von den Plastiken der hl. Petrus und Paulus. Ersterer mit dem "Schlüssel zum Himmelreich" symbolisiert, der zweite mit dem Buch als Apostel aller Völker, der als gelehrter Jude mit seinen Predigten und Schriften das Evangelium in die ganze Welt getragen hat.

Der erweiterte Übungsraum des Kirchenchores wurde bestens in die Fassade integriert. Ein einheitliches Bild, wenn auch ohne Schmuck, zeigen die West- und Südseite, die aber von Nachbarbauten eingeengt nicht zur Wirkung kommen.

Der Innenraum

Wichtige Erneuerungsarbeiten fanden 1964 statt. Dabei konnte die bis dahin enge Sakristei großzügig nach Westen hin erweitert, ein zweiter Raum für Ministranten gewonnen und darunter zwei Garagen errichtet werden. Für die Gestaltung der Liturgie brachte die Verlegung des Zugangs zum Altar, von der Sakristei durch das Seitenschiff, den schönsten Erfolg. Der Chor wurde umgestaltet und ein Behelfsaltar vor dem Hochaltar aufgestellt. Dieser ermöglichte das Zelebrieren zum Volk hin, wie es die Liturgieform vom 7.3.1965 vorsieht. Eine weitere Änderung betraf den Wortgottesdienst, der von nun an nicht mehr am Altar, sondern am Ambo gehalten wird. Die Verbindung zwischen Volk und Altar ist dadurch enger geworden. Das wesentliche der Reform ist jedoch, daß ab sofort die Messe ganz in der Sprache des Volkes gefeiert werden darf. Die große Erneuerung des Chores wurde 1971 mit einem Kostenaufwand von 60.000 DM vorgenommen. Alfred Appenzeller, Altheim/Horb, war für die künstlerische Gestaltung und Willi Oesterle, Heidenheim, für die architektonische verantwortlich. Der Innenraum verwandelte sich in eine Baustelle. Gottesdienst mußte über längere Zeit im Raum über der Kriegergedächtniskapelle und im Ottilienhof gehalten werden. Der Hochaltar, die Seitenaltäre und die Kanzel wurden entfernt, die Burkhartschen Altarbilder an anderen Stellen untergebracht, das große Verkündigungsfresko, weil es stilistisch nicht mehr zur Kirche paßte, verdeckt.

Die Umgestaltung des Chorraumes bereitete Appenzeller "wegen dessen weniger prägnanten Charakters", wie er äußerte, etwas Schwierigkeiten, aber es gelang ihm dennoch, mit dem neuen Chor der Kirche ein eigenes Gesicht und der Gemeinde einen ansprechenden Sakralraum zu bieten. Die Neugestaltung bestand darin, mit dem Altar - dessen Aufgabe es ist, Tisch des Brotes zu sein - und dem gekreuzigten Herrn darüber, allen Besuchern zu zeigen, wo die Mitte unseres Glaubens ist.

Tabernakel und Ambo umsäumen den Altar, wobei der Tabernakel mit seinen Zierarmen den Schrein für den Leib des Herrn trägt, der Ambo hingegen der Träger des Wortes. Maria steht als Patronin der Kirche in der gleichen Linie und führt so die Gemeinde als Mutter des Glaubens zu dieser Mitte hin.

Künstlerisch betrachtet ist das Ganze gut gelungen. Altar und Ambo stehen in guten Proportionen da. Die Tabernakelsäule weist als kraftvoller Akzent nach oben, die bronzenen Leuchtern, die große Blumenschale und die Sitze für die Zelebrans, bilden zusammen eine harmonische Einheit.

Die Steinstücke sind aus Muschelkalk-Kernstein, gefertigt in einer Stuttgarter Werkstatt, bezogen aus Kirchheim bei Würzburg.

Das alte Kreuz, eigentlich ein Christustorso, ist das wertvollste Stück der Marienkirche. Es ist ein bedeutendes Kunstwerk eines unbekannten Meisters aus dem 13. Jh., entweder aus Nordspanien oder Südfrankreich stammend. Der holzgeschnitzte Kruzifixus ist in die Zeit der Gotik einzureihen. In seiner Expertise schreibt der Landeskonservator, Dr. Walz, Stuttgart: "An ihm sind schon die Folgen der Passion angedeutet. Das Antlitz erscheint noch im Tode verklärt. Die Gestaltung des Hauptes, vor allem wie die Art der Haare und Bart wiedergegeben sind, erinnern an nordspanische Figuren."

Es fällt auf, dass der Christus keine Arme hat, doch, um das Kunstwerk in seiner Originalität nicht zu verändern, wurde auf ein Nachschnitzen verzichtet. Das Fehlen der Arme hat jedoch durchaus auch symbolischen Charakter: Christus hat keine eigenen Arme, wir selbst, die Gemeinde und jeder einzelne, sind seine Arme.

Weitere wertvolle Figuren sind die bereits erwähnte Madonna beim Tabernakel sowie die Plastik der heiligen Odilia mit dem Stab der Äbtissin unter der Empore. Im Bereich der Beichtstühle hängen über dem Schriftenregal die Tafelbilder Professor Burkharts, die ehemals den Hochaltar schmückten. In sechs Feldern sind die Freuden Marias dargestellt. Die Motive von links nach rechts: Maria besucht Elisabeth, die Geburt Jesu, Anbetung der Könige, der zwölfjährige Jesus im Tempel, der auferstandene Jesus zeigt Maria seine Wundmale, Maria wird in den Himmel aufgenommen.

In den Seitenschiffen ladet der im Jahre 1935 ebenfalls von Burkhart gefertigte Kreuzweg zur meditativen Besinnung ein. Der Maler gibt auf den nahezu quadratischen Tafelbildern in reicher Fülle künstlerische und religiöse Eindrücke wieder. Bei der Betrachtung werden Erinnerungen an den Dürer-Satz lebendig: "Es gibt für die Kunst keinen besseren Inhalt, als die Verherrlichung Gottes". Der goldene Hintergrund und die einfachen Formen der Gestalten erinnern an die Zeit der Gotik, die Landschaften an den Impressionismus. Einzelpersonen sowie Massenszenen sind von einer künstlerischen Gestaltungskraft durchformt, in denen Erkenntnisse der Psychologie verwirklicht sind. Macht und Ohnmacht, hilflose Gebärden, schnöde Ungeduld, blinde Wut und schlichte Feierlichkeit sind hier eindrucksvoll vorgestellt. Die Szenen der 14 Kreuzwegstationen: - beginnend beim Seiteneingang - Pilatus verurteilt Jesus zum Tod, Jesus wird das Kreuz auf die Schulter gelegt, er fällt unter der Last des Kreuzes, Jesus begegnet seiner Mutter, Simon von Cyrene hilft ihm das Kreuz zu tragen, Veronika reicht ihm das Schweißtuch, Jesus fällt zum zweiten mal unter dem Kreuz, Jesus begegnet den weinenden Frauen, Jesus fällt zum dritten mal unter dem Kreuz, er wird seinen Kleidern beraubt, ans Kreuz genagelt, stirbt am Kreuz, schließlich vom Kreuz genommen und sein Leichnam ins Grab gelegt.

Im Jahre 1974 bekam die Marienkirche mit einer neuen Orgel ein hervorragendes Instrument für die Feier des Gottesdienstes und für kirchenmusikalische Veranstaltungen. Diese Orgel hat allerdings nicht das in Heidenheim und seiner Umgebung vertraute optische und klangliche Bild, sondern ihren eigenen Charakter. Sie ist das Werk des Orgelbaumeisters Gerhard Schmid, Kaufbeuren. Mit 41 Registern, deren Schaltungen auf einem schwenkbaren Pult angeordnet sind, verteilt auf drei Manuale und Pedal, hat sie einen stark differenzierten Klangcharakter. Der Orgelprospekt fügt sich wohltuend in die Architektur der Kirche ein und schließt sie harmonisch ab.

Im Sommer 1978 erhielt das Gotteshaus neue Bänke aus Mowingiholz, einer exotischen Holzart. Damit wurden die fast hundert Jahre alten Bänke durch neue ersetzt. Vor den fest installierten Sitzbänken stehen bewegliche Stuhlreihen, die man bei Bedarf entfernen kann. Mit dieser Maßnahme kann für besondere Zwecke - z.B. bei Konzerten - ein größerer Raum vor dem Chor gewonnen werden. Die Holztüren der Windfänge wurden mit reinen Glastüren ersetzt.

Die Krieger-Gedächtnis-Kapelle enthält seitlich die Tafeln der Kriegsopfer beider Weltkriege. Der künstlerische Schmuck am Altar stammt von Bildhauer Retzbach, Stuttgart, der die kleine Kreuzigungsgruppe in Holz schnitzte. Das Ölgemälde mit der schmerzhaften Muttergottes an der Wand verdanken wir ebenfalls Burkhart, dessen weiteres Bild mit dem Motiv des hl. Josef, zur Zeit verpackt aufbewahrt wird und das später eine Wiederverwendung finden soll.

Mit den zahlreichen Erweiterungs-, Erneuerungs- und Renovierungsarbeiten, die in den letzten Jahrzehnten durchgeführt wurden, dürfte die Bauperiode der Marienkirche wohl für Dekaden abgeschlossen sein. Nun ist der Weg frei für neuere Aufgaben.